Guideless Guys im Sauerland – Tag 1 #ggsl17

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Der konkrete Plan lautete wie folgt: Freitag, 11 Uhr Ankunft, Begrüßung, Tasche auspacken, Schock verdauen, umziehen und zur ersten Tour starten. Warum Schock? Das Haus steht in Ramsbeck. An einem Hang am Bastenberg (744,8 m). Um zum Haus zu gelangen, musste man den Bastenberg ein Stück hinauffahren. Wenn man zum ersten mal dort ist, kommt einem die Steigung so vor, als würde man eine Wand hinauf fahren müssen. Wenn man im gleichen Moment darüber nachdenkt, dass man hier wenig später mit dem Mountainbike unterwegs ist, könnte einen das schon ein wenig schockieren, mindestens aber beeindrucken. So war es dann auch. Nach den ersten 1,8 km unserer Tour hatten wir schon 164 HM auf der Uhr, aber dazu später mehr.

Tobi und ich waren zuerst da. Timo brauchte noch etwas und Micha machte Bekanntschaft mit der Staunation Deutschland. Langeweile kam dennoch nicht auf. Auto auspacken, Landschaft bestaunen, Haus durchschnüffeln, es gab einfach sehr viele Eindrücke auf einmal. Tobi hatte gut vorgesorgt und passende Fahrradständer im Gepäck, die Bikes konnten also stilecht drapiert werden. Die Aussicht war noch nicht sehr aufschlussreich. Denn die Berge waren im Nebel versunken. Einzig der Blick ins Tal war freigegeben. Idylle pur. Nichts entschleunigt einen so sehr, wie ein schönes Stück Natur und schlechter Handyempfang.

Ein paar Eckdaten zu dem Häuschen? Es bietet locker Platz für 6 Personen. Wenn man sich besser kennt, gehen auch 7 oder 8 Personen. Konkret bedeutet das: Ein Zimmer mit einem Etagenbett mit Platz für 2 Personen, ein ausgebautes Dachgeschoss für bis zu 3 Personen und ein Elternschlafzimmer mit einem Ehebett. Wenn man zusammen, verheiratet ist oder einfach nur entspannt ist, finden hier ebenfalls 2 weiter Personen Platz. Notfalls kann noch jemand auf der Couch pennen oder man legt Schlafsäcke im Dachgeschoss aus. Aber 7 Personen gehen locker.

Das Haus verfügt über eine Küche, ein Badezimmer, zwei getrennte Toiletten und ein Wohnzimmer. Im Moment wird noch umgebaut, aber in Zukunft steht sicher auch das Kaminzimmer im Keller wieder zur Verfügung. Hier können dann auch die Bikes eingeschlossen werden. An einem WLAN Zugang wird auch noch gearbeitet. Das Ganze gibt es zum fairen Preis. Wenn du da auch mal hinwillst, schick mir eine Mail. Ich stelle dann gerne den Kontakt her. Kleiner Tipp: In ca. 30 Minuten ist man mit dem Auto in Willingen. Got it? 😉

Aber wir waren ja nicht hier, um nur in den Nebel zu schauen. Micha hatte eine spannende Tour vorbereitet, welches es jetzt zu bewältigen galt. Ein paar km, ein paar Höhenmeter, halt was es im Sauerland so zu fahren geht. Das Wetter? Ja, das hatte ich sich in der Zwischenzeit vom Status „kurz mal trocken“ in „es nieselt geändert“. Egal, das wird uns nicht aufhalten. Also rein in die Klamotten, Kamera vor die Brust, rauf aufs Bike und ab ging die Post.

Na ja, bis zur ersten Kurve. Denn da zeigte uns der Bastenberg, wieso er ein „Berg“ im Namen hatte. Die Marschrichtung war klar. Es ging nach oben. Wie schon erwähnt, hatten wir nach den ersten 1,8 km schon 164 Hm auf der Uhr. Das ist sehr viel für ein Ruhrpottkreislauf. Timo und Micha steckten das recht locker weg. Tobi und ich machten schon große Augen.

Oben angekommen, entschieden sich die Jungs dann doch ihre Regenjacken anzuziehen. Denn der Nieselregen sollte sich in richtigen Regen verwandeln. An dieser Stelle ein kleiner Spoiler: Es sollte heute nicht mehr aufhören zu regnen.

Nun ging es um den Berg herum direkt zu unserer ersten Abfahrt. Wenn ich in den nächsten Zeilen häufiger erwähne, dass es regnet, oder schüttet, oder einfach nur scheiße nass ist, dann seht es mir nach. Es fühlte sich zeitweise so an, als würde ich in kompletter Fahrradmontur einfach nur unter der Dusche stehen und das warme Wasser funktioniert nicht. Vor der ersten Abfahrt gab es noch einen kleinen Foto-Stopp. Zusehen sollte es eigentlich den Kernbrockskopf, den Hockenstein und den Sternberg geben. Aber wie du oben erkennen kannst, sah man nix.

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Als kleine Belohnung sollte nun die Abfahrt von dem Bastenberg anstehen. Dabei ging es auf einer Distanz von 5,5 km ca. 186 HM bergab. Wir ließen es vorsichtig angehen, denn der Boden war mit losen, nassen Steinen überseht und niemand wollte schon am ersten Tag einen Abbruch der Tour riskieren. Micha und Timo navigierten uns zielstrebig und sicher durch die Trails. Ich für meinen Teil hatte diesmal auf die Ratschläge gehört und vorne den Luftdruck etwas reduziert. So sollte ein besserer Grip gewährleistet werden, sagt man. Tjoa, kann ich jetzt nicht so viel zu sagen. Durch die Tatsache, dass ich der Tubeless Technik noch nicht so 100%tig vertraute, fühlte ich mich bei meinen Fahrkünsten wieder um einige Monate zurückgeworfen.

Wenn das Leben uns eins gelehrt hat, dann das nach Regen immer Sonnenschein kommt und wo es runtergeht, geht es danach auch wieder rauf. So auch hier. Bis auf den Sonnenschein. Der blieb am Freitag leider total aus. Im Gegenteil, es schüttete und schüttete wie aus Eimern. Aber es ging wieder rauf, bergauf.

Da das Frühstück jetzt auch schon ein paar Stunden her war, sah unser Plan vor, bis zum Hennesee zu fahren und von da bis nach Meschede zu radeln. Dann wollten wir schauen, ob wir was zu Essen finden könnten und dann wieder zurück. Vorher mussten aber ein paar Kilometer gemeistert werden. Rund 21 km, um es genauer zu beschreiben.

Dann wurde es gruselig. Als wir aus einem Busch kamen, passierten wir ein „Durchfahrt verboten“ Schild und fanden uns kurz darauf auf dem Gelände eines verlassenen Krankenhauses wieder. Der Stoff aus dem Horrorfilme sind. Regen, eingeschlagene Scheiben, wehende Vorhänge und 4 Jungs auf Mountainbikes. Passend dazu gab es auch kein Handyempfang auf dem Gelände. So beginnen Horrorfilme.

Später malten wir uns die Situation weiter aus. „Hey Jungs, lasst uns doch hier warten, bis der Regen nachlässt. Es wird ja auch bald dunkel. Mist, ich habe hier keinen Handyempfang. Komm, wir schauen mal nach, ob hier irgendwo ein Telefon ist um Hilfe zu holen…“ Ooooh so geil!

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Es handelt sich bei der Klinik um die so genannte Geisterklinik am Tannenberg. Die Veramed-Klinik in Meschede, welche schon seit Jahren leer steht. Eine gruselige Kulisse, denn wie schon erwähnt, die Scheiben sind teilweise eingeschlagen, aus einem Fenster wehte noch ein weißer Vorhang und ein Fenstern knarrte im Wind.

Nach einer kleinen Pause ging es dann endlich weiter. Wir waren mittlerweile so dermaßen durchnässt, dass es uns eigentlich schon ziemlich egal war. Was nun folgte, sollte sich eine sehr unangenehme Angelegenheit entwickeln. Denn nun folgte eine rasante Abfahrt. Eigentlich sind wir alle immer für so einen Spaß zu haben, doch die über 3 km lange Abfahrt kühlte unsere Körper unglaublich stark aus. Die Straße war asphaltiert und so war teilweise ein Topspeed von um die 40 km/h drin. Wie schon erwähnt, eigentlich immer gerne genommen. Nur heute nicht!

So unglaublich das auch klingen mag, wir waren wirklich sehr froh, als es wieder bergauf ging. Durch die Anstrengung wärmte sich der Körper wieder auf und auch das Gefühl in den Fingern kehrte kurzfristig zurück. Es folgte eine 2 km lange Steigungspassage mit einem Gesamtanstieg von rund 145 Metern. Eine Distanz, die sogar Tobi jetzt gut vertragen konnte. Zu allem Überfluss klagte Tobi mittlerweile nicht mehr nur über die Kälte, nein es machten sich auch Beschwerden im Knie bemerkbar. Aber was soll ich sagen? Der Jungs hat es durchgezogen!

Wir waren jetzt auf dem Köpperkopf unterwegs. Der Berg, an dessen Fuß der Hennesee liegt. Wir fuhren einen Erlebnispfad entlang, sahen viele interessante Konstruktionen und erreichten eine große Aussichtsbank. Für gewöhnlich ist die Aussicht hier fantastisch nur heute irgendwie nicht. Könnte am Regen gelegen haben, aber den habe ich ja bereits erwähnt.

Alleine beim stehen lief mir die Suppe nur so vom Helm herunter. Gelegentlich mischte sich das Regenwasser auch mit Schweiß und lief mir in die Augen. Ein sehr emotionaler Moment, den ich gerne mit meinen Freunden geteilt habe. Genug gequängelt. Es ging weiter. Matsche, Wasser, Regen, Holz, Steine und so weiter. Was wünscht man sich mehr? Sonne, ok, aber über die wollten wir heute nicht weiter sprechen. Es ging jedenfalls wieder den Berg hinunter. Unser Ziel war der Hennesee und danach Meschede.

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Der Trail führte und bis zum See hinab. Eine sehr schöne und gepflegte Anlage, über deren Ästhetik wir heute irgendwie nicht so richtig philosophieren konnten. Wir machten und weiter auf in Richtung Meschede.

Endlich Zivilisation. Immerhin waren wir ja jetzt schon mehrere Stunden im Wald unterwegs. Aber irgendwie ist die Zivilisation sehr laut und stinkt. Jede Menge Autos, Lärm und Gestank machte sich in der Stadt breit. Egal, kennen wir sonst ja auch. Jetzt nur noch flott was Nettes zu Essen finden und dann wollten wir uns schon wieder auf den Rückweg machen. Endlich aus den nassen Sachen raus. Trotz der massiven Dusche war unsere Laune aber sehr gut. Das soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.

Während wir so durch die Einkaufsgasse rollten fing Micha an zu schwärmen: „Jetzt so ne Dönerbude, wo der Spieß schon stundenlang vor dem heißen Gasgrill dreht und die Bude richtig schön aufgewärmt hat…“ auch ich gab mich den Tagträumereien hin und stimmte ihm zu… Ob wir jedoch jemanden finden würden, der uns total versaute Bande in sein Lokal lassen würde? Wir hatten da so unsere Zweifel.

Dann erschien endlich ein Dönermann und sofort schlugen wir vor: „DÖNER?““ „Nääää, zu mächtig, wenn wir noch weiter wollen!“ Unsere Träume waren dahin… Ein Bäcker? Neee, ein dies? Neeee… Ein das?! Neeee… ARGH! Wir müssen verhungern… Die Jungs waren sich nicht einig. Auch die Idee, bei einem Bäcker auf der Terrasse platz zu nehmen wurde verworfen. „Hier bedient uns sicher niemand draußen, bei dem Wetter!“

Dann erreichten wir den Bahnhof und da stand dann ein kleiner Verkaufswagen. Bäckerei, Konditorei, Cafe F. Becker. Davor ein leerstehendes Gebäude. Hier konnten wir nicht viel dreckig machen und wir stoppten. Die junge Dame aus dem Verkaufswagen fragte sofort, ob wir erstmal 4 Kaffee haben wollten. Wir waren verliebt! Aus 4 Kaffee wurden 3, denn ich mache mir nix aus Kaffee. Wir bestellten und ein paar Brötchen und zum Abschluss spendierte uns die Inhaberin des Wagens noch ne Runde Donuts. War das was mit Regen? Egal, wir hatten Donuts! DONUTS!

Frisch gestärkt und leider noch kein Deut trockener ging es dann an die Heimfahrt. Quer durch Meschede durch und in Richtung Heinrichsthal. Von dort dann entspannt nach Wehrstapel. Alles recht entspannt, weil kaum Steigungen dabei waren. Situationskomik sorgte noch dafür, dass wir die Tour fast abbrechen mussten. Ich kann es nicht mehr wiedergeben und vermutlich wäre es auch nicht lustig, aber es ergab sich die Situation, in der unser Guide Micha uns unter einer Unterführung durch führte, die wir uns auch gerne hätten sparen können. Wir mussten danach so dermaßen lachen, dass ich echt Magenschmerzen hatte. An dieser Stelle sei aber nochmal erwähnt, dass Micha einen fantastischen Job als Guide machte. Danke nochmal!

Ab Kilometer 24 wurde es dann aber noch einmal ekelig. Wir mussten ja wieder auf unseren Berg rauf und das ist in der Regel immer mit Höhenmetern verbunden. Die Steigungen kamen nach und nach. Erst 21 HM, dann nochmal 5 HM, dann wieder etwas runter und dann ging es hoch. Auf 6 km gab es leckere 265 HM aufgetischt. Ein Gericht, welches Tobi nicht schmeckte. Auch die Motivation, dass es danach ja schon fast geschafft sei, zog irgendwie nicht so recht. Nass, kalt, Knieprobleme. Keine schöne Mischung um die letzten Kraftreserven zu mobilisieren. Aber hey, da mussten wir jetzt durch. Und ein flotter „Deine Mudda“ Witz zur Rechten Zeit, sorgte stets für Heiterkeit.

Doch bei allem Schweiß, Regen und Schmerz, die Berge verlieren keine bisschen an Faszination. Wenn so ein paar Brocken aus dem Neben auftauchen ist das beeindruckend. Egal, ob dir das Wasser die Beine herunterläuft, oder nicht. Ich bin süchtig nach dem Scheiß, kein Witz.

Das Ziel war zum greifen nah. Wir wähnten uns schon auf dem richtigen Berg, da stellten wir fest, dass noch ein paar letzte Höhenmeter auf uns warteten. Wir waren nämlich erst in Berlar, einem kleinen Örtchen oben auf dem Bastenberg. Hier sind sie sicher auch aufgeschmissen, wenn die Autos mal streiken, aber das war jetzt nicht unser Problem. Eine kleine Abfahrt später standen wir vor den letzten 20 Höhenmetern. 20 Meter, was ist das schon? Na ja, für uns Ruhpottler ist das schon ne Hausnummer. Wir hatten ja mittlerweile auch rund 827 davon in den Knochen. Zähne zusammen und hoch. Irgendwie. Tobi schlug sich wacker und schaffte auch diese letzte Hürde.

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Jetzt ging plötzlich alles ganz schnell. Nach anfänglichen Unebenheiten auf dem Weg, ging der letzte Kilometer ab wie sau. Die Steigung, die uns am Anfang direkt willkommen geheißen hat, verabschiedete uns jetzt mit einer rasanten Talfahrt bis zum Haus zurück. Eine tolle Tour. Eine tolle Tour, trotz des beschissenen Wetters.

Während die Jungs unter der Dusche waren, habe ich den Grill angefeuert. Keine leichte Herausforderung, weil ja ständig Wasser in die Pfanne fiel. Aber es hat dann doch irgendwie geklappt und schon kurze Zeit später brutzelten herrliche Lachssteaks auf der Flamme. Wir ließen uns den Tortellinisalat, den meine Frau für uns gemacht hatte, schmecken und nachdem alle geduscht waren, kehrten unsere Lebensgeister zurück.

Ein Wort zur Dusche: Als ich an der Reihe war, konnte ich nicht spüren, ob das Wasser jetzt kalt oder warm war. Ich spürte nur, dass Wasser meine Haut berührt, aber die Temperatur konnte ich nicht einschätzen. Nur der Dampf verriet mir, dass es wohl warm war. Wenige Minuten später hatte ich wieder ein Gefühl im Körper. Muss man mal erlebt haben. Es gibt ja kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung. Was soll ich sagen: Wir haben wohl schlechte Kleidung gehabt.

Nachdem wir wieder warm waren, gegessen hatten und auch schon ein paar Bierchen weg waren war es an der Zeit, um Resümee zu ziehen. Wir waren uns alle einig, dass die Tour toll war, auch wenn das Wetter alles gegeben hat, um uns den Spaß gründlich zu verderben. Aber es gab eine Menge Highlights, welche jeder für sich speichert und mitnimmt. Wir haben viel gelacht, viel Teamgeist bewiesen und gebissen, wenn es wichtig war. Alles in allem waren wir sehr optimistisch für den folgenden Tag, denn da war kein Regen mehr angesagt. Tobi zweifelte zu vorgeschrittener Stunde, ob er morgen dabei sein würde. Denn heute hatten wir rund 36 km und 847 Hm auf dem Tacho. Morgen standen 46 km und knapp 1500 Hm auf dem Plan.

Aber das ist eine andere Geschichte.

Weiterführende Links:

Die Bäckerei F Becker aus Meschede bei Facebook
Kontakt für das Ferienhaus in Ramsbeck

Die Tour bei GPSies.com

Die Tour bei Strava