3-Halden Tour
Das Jahr neigt sich dem Ende zu und meine Kilometerausbeute für 2020 ist unter aller Sau. Aber gut, in diesem Jahr lief ja so einiges anders als geplant. Um nun mal wieder etwas für kein Kilometerkonto zu machen, hatte ich mir während meines Urlaubs eine kleine Haldentour auf Komoot zusammengestellt.
Kurzübersicht
Ich hatte mir 3 Halden auf die Liste gesetzt, von denen 2 jedoch schon alte Bekannte waren. Die Halde Hoheward in Herten sollte mein erstes Ziel sein. Hier wollte ich aber nur auf den ersten Balkon hoch, denn auf der Halde bin ich häufiger anzutreffen. Dann sollte es nach Gelsenkirchen gehen, zur Halde Rungenberg. Das ist die an der A2, mit den beiden Scheinwerfern auf dem Gipfel. Den Rückweg wollte ich dann über die Schurenbachhalde in Essen absolvieren. Alles in allem sollten am Ende der Tour rund 50 km und 260 HM auf dem Tacho stehen.
Auf der Tour sind eine paar kleinen Highlights eingebaut. So passieren wir die Drachenbrücke, sehen den Gasometer an der Emscher, besuchen den Singing Mountain, sehen den Nordsternpark, besuchen die Hugo Bahn und vieles mehr. Mit offenen Augen erlebt man einfach mehr.
Ich starte um 10 Uhr
Es geht los. Ich hole mein Hardtail aus dem Keller und stelle fest: Ich hab einen Platten. Damit hatte ich nicht gerechnet, aber das ist ja immer so. Ich schraubte das Ventil raus, fülle Tubeless Dichtmilch nach und versorgte das Laufrad wieder mit Luft. Das sollte reichen. Ohne Pumpe machte ich mich auf den Weg.
Zusatzinformation
Die eigentliche Tour startet am Stadthafen in Recklinghausen. Wer mit dem Auto kommt, kann hier gut parken. Im Sommer sollte man aber schon früh vor Ort sein, denn die Plätze sind bei gutem Wetter schnell weg. Meine Touren starten meisten hier, denn man kann nach der Rückkehr noch eine Kleinigkeit trinken und die Tour reflektieren.
Auf zur Halde Hoheward
Mein erstes Ziel war die Halde Hoheward, welche man vom Stadthafen aus auf verschiedenen Wegen erreichen kann. Ich entschied mich für meinen Lieblingsweg, den angenehmsten, an der Emscher entlang. Vom Stadthafen aus sind das nur knapp 4 Kilometer und man landet an der Drachenbrücke. Das Gute auf dieser Strecke ist, dass man mit der Straße und dem dortigen Verkehr kaum etwas zu tun hat.
Wie ja schon erwähnt, wollte ich heute nicht bis ganz nach oben, wenngleich sich die rund 100 HM lohnen, wenn man hier zum ersten Mal ist. Mein Weg führte mich an der südlichen Seite der Halde entlang, mit Blick auf Herne, Essen und Bochum.
Resser Mark
Ich verlasse die Halde auf Höhe von Balkon 10 und fahre runter auf die Ewaldpromenade, welche mich über den Emscher Park Radweg (kurz EPR) durch den Stadtteil Resser Mark führt. Hier ist es sehr angenehmen zu fahren, denn die Resser Mark besteht zum größten Teil, abgesehen vom Siedlungskern, aus Wald und Wiesen. Sie ist das Naherholungsgebiet der Stadt und bietet Joggern, Fahrradfahrern und Spaziergängern stadtnahe Betätigungsmöglichkeiten, kurz gesagt: schön hier!
Die Emscher
Nach ca. 15 Kilometern erreiche ich die Emscher. Ja, sie hat nicht den Charme des Rhein-Herne-Kanals, und wird umgangssprachlich eher als Köttelbecke bezeichnet. Aber sie wird nach und nach renaturiert und könnte eines ein richtig schönes Gewässer werden. Fährt man die Emscher entlang, wird einem einiges geboten.
So bekommt man kurz vor dem Hafen-Hugo, einem ehemaligen Kohlehafen der Zeche Hugo in Gelsenkirchen-Horst, den Gasometer an der Emscher zu Gesicht. Einen Kugelgasbehälter, welcher durch den Gelsenkirchener Künstler Rolf Glasmeier gestaltet wurde.
Der Weg an der Emscher entlang erinnerte mich manchmal an die Deichlandschaften Norddeutschlands. Auch hier gibt es Möwen und es weht einem gelegentlich eine steife Brise um die Nase. Nur riecht das dann nicht nach Salzwasser und Meer, sondern eher nach Lack und Teer. Muss man mögen.
Vom EPR wechselte ich nach dem Gasometer auf die Verlängerung der Hugo-Trasse. Von hier aus waren es nur noch rund 3 Kilometer bis zu meiner zweiten Halde. Die Trasse ist derzeit eine Baustelle, durch die man aber offenbar hindurchfahren kann / darf. Jedenfalls waren bei mir alle Barken entfernt. Wenn man hier also mit dem Mountainbike unterwegs ist, hat man keine Probleme.
Trasse Zeche Hugo
Kurz vor der Halde erreichte ich dann das ehemaligen Bahnwärterhäuschen der Zeche Hugo Bahn. Das Bahnwärterhäuschen auf dem kleinen “Alfred-Konter-Platz” ist ein Industriedenkmal und im Besitz des Regionalverbands Ruhr. Hier habe ich einen kurzen Stop eingelegt, um diese Fotos zu schießen. Von hier ist es nur noch ein Katzensprung, bis zur Halde Rungenberg.
Halde Rungenberg
Dann hatte ich meine zweite Halde für heute erreicht. Die Halde Rungenberg. Der Aufstieg sollte sich aber etwas schwieriger gestalten, als gedacht. Eigentlich hatte ich geplant, aufseiten der Lohmühlenstraße vorbeizufahren, um dann die Halde von Norden aus zu erklimmen. Leider war hier jedoch eine Baustelle und so konnte ich dort nicht hoch. Also wählte ich einen kleinen Trail, der mich auf die Halde führte und welchen ich bei meiner Ankunft schon gesehen hatte. War eigentlich auch kein Problem, war nur eng und stachelig. Als ich dann aber erstmal auf einem höheren Ring der Halde war, ging es recht schnell bis zum Gipfel.
Nord-Östlich der Halde liegt der alte Teil der Schüngelberg-Siedlung, einer Arbeitersiedlung, wie sie im Buche steht und damals gang und gäbe war. Die Zechenhäuser mit ihren typisch roten Dächern verleihen der Siedlung ihren Charme, welchem ich mich nur schwer entziehen konnte. Ich bereute ein wenig, keine bessere Kamera dabei zu haben, denn manche Momente kann man mit einem Handy nicht so einfangen, wie man es gerne möchte.
Aber ich machte mich weiter auf den Weg nach oben und war fasziniert, von der Aussicht. Mir wurde im Vorfeld schon gesagt, dass diese Halde nichts für Mountainbiker zu bieten hätte, aber das ist ja immer eine Sache der Perspektive. Ich war ja nicht für Trails hier, ich war auf Tour. Und wer es mir gleich tut, sollte die Halde in jedem Fall besuchen.
Oben angekommen hatte ich 25 Kilometer auf dem Tacho. Ich verweilte ein paar Minuten auf dem Gipfel der Halde und ließ die Umgebung auf mich wirken. Die A2 prägte diesen Moment doch sehr, denn an Ruhr ist hier oben nicht zu denken. Aber das ist okay so, denn das ist unser Ruhrgebiet.
Nordsternpark gekratzt
Jetzt ging es für mich weiter in Richtung Heimat. Nicht aber, ohne noch die Schurenbachhalde mitzunehmen. Sie liegt zwar nicht so ganz diret auf dem Weg, aber man würde im Pott sagen: “Kannse ma machen!” Ich fuhr wieder in Richtung Hugo-Trasse, um dort auf die Braukämperstraße zu wechseln. Ich fuhr durch den Stadtteil Beckhausen hindurch, in Richtung Nordsternpark. Das war kein Vergnügen, denn man ist hier wirklich wieder weg von Wald, Wiesen und Natur. Hier ist auch nichts, was man beschönigen könnte, musste ich halt durch.
Wenn ich diese Tour erneut fahren würde, würde ich vermutlich versuchen, die Mottbruchhalde mit einzubauen, um die Straße zu vermeiden. Aber das versuche ich ein andern mal. Nach weiteren 7 Kilometern stand ich jedenfalls vor dem Nordsternpark, welcher auch mal eine nähere Betrachtung verdienen würde. Aber heute nicht, ich wollte runter von der Straße, hin zum Kanal, rauf auf die Halde.
Weiter zur Schurenbachhalde
Aber vom Nordsternpark aus ist es dann auch nicht mehr weit. 2,8 km und man ist oben. Darin enthalten: 1 Kilometer Aufstieg auf die Halde. Hier soll in Zukunft das Mountainbiken gefördert werden. Der RVR will auf der Schurenbachhalde legale Trails anlegen. Wenn ich jedoch sehe, wie die Trailpflege vom RVR auf Halde Hoheward umgesetzt wird, erwarte ich 3 m breite Schotterwege als Mountainbike-Paradies. Warten wir es ab.
Highlight der Halde ist natürlich die Bramme für das Ruhrgebiet. Ein Kunstwerk auf der Schurenbachhalde vom amerikanischen Künstler Richard Serra. Sie wurde 1998 auf dem höchsten Punkt der Halde aufgestellt. Die Halde ist rund 55 Meter hoch und kann bequem mit Mountainbike oder Gravel-Bike erklommen werden. Runter geht es auch recht gut, da definiert aber jeder seine Schmerzgrenze selber.
Die Aussicht von hier oben ist an guten Tagen auch sehr schön. Man kann die Wolkenfabrik bei der Arbeit beobachten, sieht die Halde Haniel, mein Steak Kraftwerk in Herne, den Nordsternpark, die Skyline von Essen sowie Zeche Zollverein und noch viel mehr.
Kurswechsel
Jetzt geht es runter von der Halde und ab in Richtung Heimat. Auf dem Tacho stehen 35 Kilometer und es sind für mich noch etwas über 20 Kilometer zu gehen. Ich wähle den Weg am Rhein-Herne-Kanal entlang und werfe noch einen Blick auf die Minecraft Bäume im Nordsternpark. 😉
Doch jetzt wird es nochmal spannend. Sind mir die ersten 35 Kilometer recht leicht von der Hand gegangen, ist es plötzlich so, als würde jemand meine Bremse ziehen. Dieser Jemand heißt Gegenwind. Ach Fuck! Anfängerfehler! Ich habe beim Wetter nur auf Regen geachtet.
Na gut, 20 Kilometer und Gegenwind sind nicht immer Spaß, aber sie formen den Charakter und sind durchaus machbar. Allerdings hatte ich die Rechnung ohne die Uhr gemacht, denn ich hatte Mittags noch ein Date mit meiner Familie und hier auf dieser Tour noch ein paar Highlights, die ich fotografieren wollte.
Singing Mountain
Eines der nächsten Highlights sollte der Singing Mountain auf der Emscherinsel an der Schleuse Gelsenkirchen sein. Der Singing Mountain ist ein künstlicher Felsen, welcher 2010 im Rahmen der großen Emscherkunst Ausstellung von Olaf Nicolai und Douglas Gordon erschaffen wurde.
Wenn man die Schleuse überquert, landet man zunächst an einem kleinen Aussichtspunkt und schaut über die Raffinerie von BP. Leute, die nicht aus dem Ruhrgebiet stammen, werden hier vermutlich die Augenbrauen hochziehen. Aber Ruhries lieben ihren Pott so wie er ist.
Auf dieser Insel versteckt sich auch der 10 Meter breite und 5 Meter hohe künstliche Fels, aus dessen innerem Musik ertönt. Die habe ich zwar bisher noch nicht gehört, aber ich war ja auch erst 2x hier. “Aus dem Inneren des “Singing Mountain” (so der Arbeitstitel) ertönt zu bestimmten Zeiten in den Sommermonaten ein Musikstück, welches vom schottischen Konzeptkünstler Douglas Gordon komponiert wurde” ist auf Gelsenkirchen.de zu lesen.
Weiter in Richtung Stölting Harbour
Noch rund 13 km von meiner Haustür entfernt, erreichte ich den Stolting Harbour. Eine hübsche neue Hafenanlage, welche zu einer längeren Pause einladen würde, hätte ich mehr Zeit. In den Sommermonaten ist hier immer viel los, denn man kann hier gut essen. Die Eisdiele La Luna ist dabei sehr zu empfehlen! Wer also auf seiner Tour auch ein Eis mit einbauen mag, ist hier sehr richtig.
Grimberger Sichel
Wer mir auf Instagram folgt, wird diese Brücke wohl schon mehrmals gesehen haben. Besonders in der Zeit vor Corona habe ich hier fast täglich ein Bild geschossen und gepostet. Die Grimberger Sichel ist das Ende der Erzbahntrasse und führt über den Rhein-Herne-Kanal. Sie wurde 2009 eröffnet und befindet sich hinter der Zoom Erlebniswelt. “Die asymmetrische Stahlkonstruktion an einem 48 Meter hohen Stahlpylon und mit einer Spannweite von rund 150 Metern wurde von der europäischen Konvention für Stahlbau mit dem European Steel Bridges Award 2010 ausgezeichnet“. (Quelle)
Ich bin gerne hier, denn die Aussicht ist immer und immer wieder wunderbar.
Heimspiel
Von der Grimberger-Sichel aus ist es nicht mehr weit bis nach Hause. Bis zum Stadthafen, wo unsere Tour ja offiziell gestartet ist, sind es nur noch 8,2 km. Bis zu mir nach Hause noch ca. 11. Ich fuhr also am Rhein-Herne-Kanal entlang, mit Gegenwind und schweren Beinen. Ich hatte nur ein leichtes Frühstück und merke, wie meine Laune nicht schlechter werden wollte, weil ich endlich wieder auf meinem Hardtail ein paar Kilometer gemacht hatte.
Endlich wieder durch unser Ruhrgebiet, endlich wieder Halden und Industrie. Was mich an dieser Region so unglaublich fasziniert, ist das Wechselspiel der Eindrücke. Du stehst auf einer Abraumhalde, 100 Meter über dem Meeresspiegel und schaust auf eine flache Landschaft mit einer Mischung aus Halden, Industrie, Wäldern Häusern und Wiesen. Wer es nicht mal selber erlebt hat, kann die Faszination Ruhrgebiet nicht verstehen.
Zu Hause angekommen erwartete mich eine köstliche Portion Kohlehydrate. Genau was ich jetzt gebraucht hatte.