Im Sauerland auf Tour – Tag 2
Von meinem Hotelzimmer aus konnte ich das Gipfelkreuz eines vermeintlich naheliegenden Bergs sehen. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht wie er heißt und ob hier die nächste Lektion auf mich warten würde. Schließlich muss es ja nichts bedeuten, wenn man einen Berg sehen kann. Das sagt nichts über die Wegstrecke und die anstehenden Höhenmeter aus. Denn was man hier auch nicht unterschätzen darf: Bis man am Berg angekommen ist, geht es auch auf und ab. Das habe ich ja am Vortag gelernt.
Blick vom Hotel Schloss Gevelinghausen
Ich nutzte also die Seminarpausen aus, um auf meinem Zimmer herauszufinden, wie der Berg heißt, wie weit er entfernt und natürlich wie hoch er ist. Ich schaute also zunächst bei Google Maps, um die Lage ausfindig zu machen. Als Anhaltspunkt hatte ich die Strommasten des Umlands und den Sendemasten auf dem Gipfel. Heute weiß ich, dass der Berg Olsberg heißt und der Sendemast für den WDR im Einsatz ist. Der Berg hat eine Höhe von 703,8 m ü. NHN. Er liegt in den Nordausläufern des Rothaargebirges und wer noch mehr Streberwissen benötigt, der schaut hier.
Ein anspruchsvoller Weg.
Ich hatte also ein Ziel, jetzt brauchte ich noch einen Weg. Da kam GPSies.com wieder ins Spiel. Anders als sonst wollte ich aber nur den Hinweg geplant wissen. Für den Rückweg wollte ich mich wieder auf den Garmin verlassen, denn das hatte gestern ja auch recht gut geklappt. Also plante ich vom Hotel bis auf den Gipfel und als das Seminar vorbei war, ging es auch schon los.
Aus dem Berg kommen immer kleine interessante Pfade
Mein Weg führte mich also nun über die Straße aus Gevelinghausen nach Olsberg. Alles recht nett gemacht, viel Verkehr, kaum Infrastruktur für Radfahrer aber zur Ehrenrettung muss ich sagen, hier wird nachgebessert. Aber egal, ich hab ja (zum Spott mancher Leute) ein paar Reflektoren am Rad, also darf ich auch die Straße nutzen. Im Örtchen selber gab es dann eine Abzweigung mit einem Fahrradweg Schild, den Berg hinauf. Und spätestens jetzt, endete der Spaß, denn jetzt ging es von 334m auf 704m. Und das auf gerademal 7,1 km. Für die geübten Bergfahrer unter Euch sicher eine Lachnummer, aber für mich als Haldenfetischist und Flachlandradler eine echte Herausforderung vor dem Herrn!
Endlich hatte ich die größste Plackerei hinter mir…
Ich fuhr teilweise im kleinsten Gang, mein Puls schoss durch die Decke und ich versuchte auf dem Bike die Tritt- und Atemfrequenz zu reduzieren, damit ich mich während der Fahrt erholen konnte und nicht absteigen musste.
Mit dieser Technik war ich durchaus erfolgreich, denn mein Puls viel wieder ab und ich konnte das Tempo wieder etwas anziehen. Ich hatte mich für den Aufstieg bewusst für einen Feldweg entschieden, da ich keine Experimente wagen wollte. Ich hatte ja auch noch die Zeit im Nacken, denn es gab nur bis 21 Uhr Abendessen im Hotel.
Gemein wurde es dann noch einmal kurz vor dem Gipfel. Dort wurde die Steigung noch steiler. Und nach der noch steileren Steigung wurde es noch etwas steiler. Und als die noch steilere Steigung, der noch steileren Steigung noch steiler wurde, fuhr ich im kleinsten Gang den ich hatte schon so langsam, dass mir das Garmin in den Auto-Pause Modus gewechselt hat! Es gab dann leider keine andere Möglichkeit mehr, ich musste, ich musste vom Rad runter und die letzten Meter schieben, bis ich ein kleines Plateau erreichte wo ich kurz Rast machte. Jetzt hatte ich die größte Plackerei geschafft und konnte mich auf die letzten Meter bis zum Gipfel freuen.
Die erste Belohnung für den Aufstieg
Belohnt wurde ich dann aber in einer der letzten Kurven vor dem Gipfel. Denn vorher bin ich eigentlich nur durch den Wald gefahren und habe links von mir immer in einen mal kleinen, mal größeren Abgrund geschaut. Jetzt lichteten sich die Bäume und ich bekam endlich die ersehnte Aussicht präsentiert. Mir stockte der Atem, denn ich wusste, ich erlebe gleich etwas Beeindruckendes. Ich hatte zwischenzeitlich schon Angst, dass ich vielleicht enttäuscht sein würde, weil es nicht so ist, wie ich es mir vorgestellt hatte. Zu meiner linken konnte ich schon das Gipfelkreuz sehen und zu meiner Rechten lag der Ort Olsberg am Fuße des Berges.
Die Abkürzung ist scheiße! 🙂
Jetzt war es nicht mehr weit. Die Steigung zog nochmal etwas an, aber das war nun nicht mehr der Rede wert. Ich entdeckte zu meiner Linken ein Hinweisschild, mit dem Vermerk „Gipfelkreuz“ und entschloss mich spontan hier abzubiegen um etwas abzukürzen. Keine gute Idee, wie ich jetzt weiß. Denn dieser Wanderpfad ist wirklich eng, technisch anspruchsvoll und mit einer anständigen Steigung versehen. Das störte mich nicht im geringsten, aber an einer Passage wird er wieder so steil, dass mir beim passieren eines Hindernisses das Vorderrad hoch geht und ich langsam nach hinten umkippe um in einem Dornenbusch wieder zum stehen zu kommen.
Zu allem Überfluss reißt mir dabei die Hose, weil der Sattel sich darin verfängt und ich haue mir den Lenker vor die Nase. „Idiot…“ denke ich mir so, als ich aus dem Dornenbusch klettere. Die Beine sind zerkratzt, Blut fließt. Niemand hat gesagt, dass das hier ein Kindergeburtstag ist und ich will mich nicht beschweren, denn ich muss noch ein paar Steine überwinden und bin endlich am Ziel!
Der Gipfel
Der Gipfel! Ich habe ihn erreicht. Euphorie macht sich breit, Adrenalin schießt durch meinen Körper, die Strapazen des Aufstiegs waren vergessen und ich war unfassbar glücklich! Die Aussicht übertraf alles, was ich mir bis dahin vorgestellt hatte und ich kam aus dem staunen nicht mehr heraus.
Das Gipfelkreuz
Ich konnte nun das Gipfelkreuz berühren. Das Ding, das ich beim Frühstück noch schwach am Horizont erkennen konnte, steht jetzt vor mir. Ich war stolz auf mich und das Geleistete. Ich dachte dann an meine Familie und das kein Fotoapparat der Welt diese Aussicht so einfangen könnte, damit ich meine Euphorie auch nur annähernd transportieren könnte. Ich textete mit meiner Frau, schickte ein paar Fotos und auch sie war beeindruckt.
Blick auf Olsberg
Dann dachte ich an meine Jungs von den Guideless Guys. Denn ohne sie ist jede Tour irgendwie auch nur halb so schön. Ich hätte diese Aussicht unheimlich gerne live mit ihnen geteilt und konnte nur ein Foto in unsere Whatsapp Gruppe schicken. Man zeigte sich beeindruckt.
Irgendwie liebe ich dieses Sportgerät…
Das Sportgerät vor dem Bildstock des heiligen St. Nikolaus
1988 gebaut
Objekt der Begierde
Ich nahm mir viel Zeit auf dem Gipfel. Es ist mein erster richtiger Berg, mein erster richtiger Gipfel, auch wenn die Höhenmeter hinterher nicht ganz so extrem sind, wie bei meinen anderen Strava Freunden. Aber darum geht es nicht. Es geht um mich. Mich, den Anfänger, der hier heute seinen Schweinehund überwunden hat und ein selbstgestecktes Ziel erreicht hat.
Ich hätte noch Stunden dort bleiben können.
Ich rechnete mit einer rasanten Abfahrt, daher legte ich mir den Kameragurt um die Brust und montierte die ActionCam. Ich bat den Garmin mir eine Strecke für den Weg zum Hotel zu errechnen und das tat er auch.
Interessanterweise wollte mich der Garmin über eine Wanderstrecke wieder ins Tal leiten. Kein Problem, aber den Bereich, auf dem ich mich vorher schon aufs Maul gelegt hatte, verzichtete er. Cleveres Kerlchen, der EDGE 800…
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Es ging vorbei an der großen Sendeantenne des WDR, in die ersten Kurven. Die Beschleunigung war gut, denn es war steil. Ich sage ja immer, nach einem fiesen Aufstieg kommt auch wieder eine rasante Abfahrt! So auch in diesem Fall. Ich rechnete noch damit, dass es den breiten Weg zurückgehen würde, als der Garmin sagte: „Path, links!“ Meine Reaktion war WTF, denn hier ging es einfach so in den Berg. Ein kleiner Pfad war mit etwas Motivation zu erkennen und ich erinnerte mich an die Lehren des Vortags: Der Garmin mag es hart und er meint was er sagt. Und er kennt sich aus. Also Sattel runter und rein in den Berg.
Ich fahre vorrausschauend, daher bremse ich viel. Grade in einem Bereich in dem ich noch nie zuvor war, kann ja alles auf dem Boden liegen. Clever wie ich bin, hatte ich meine Protektoren und mein Kinnschutz im Hotel gelassen. Toller Typ ich bin, oder? Idiot! Mit diesem Wissen war ich in der Dosierung meiner Bremskraft etwas großzügiger und hätte sicher an der einen oder anderen Stelle auch noch etwas mehr gehen lassen können. Aber ich hänge an meiner Gesundheit und liebe meine Familie.
2 Bänke und ne Quelle
Nach einigen Kilometern, mitten im Wald, 2 Bänke! Hä? Ich war neugierig und stoppte die Fahrt. Ich hatte die „Tretstelle Luisenquelle“ erreicht. Hier ist es Brauch, dass die Wandersleute ihre Schuhe und Socken ausziehen und im Storchenschritt in dieser Quelle laufen. Danach die Socken wieder anziehen und weiter geht’s.
Ich schwöre…
Ich schwöre, ich habe darüber nachgedacht. Aber leider wurde meine Zeit langsam knapp und so musste ich leider weiter. Aber ein paar Minuten kaltes Wasser hätten meinen Füßen sicher gut getan. Die rasante Abfahrt ist schon anspruchsvoll für Mensch und Material. Aber, liebe Freunde und Mitleser von Rotwild, die Strecke ist durchaus XC tauglich, keine Sprünge kaum Schläge auf den Rahmen, alles cool.
Eben noch dort oben.
Ich setzte meine Fahrt fort und landete nach einigen Minuten puren Spaßes am Fuß des Bergs direkt an der Bundesstraße B 480. Der Garmin meinte, ich sollte mich rechts halten. Ich konnte aber seine Pfeile nicht wirklich interpretieren und war mir nicht sicher, ob ich wirklich über die Bundesstraße fahren sollte. Ich weiß ja, der Garmin mag es hart, aber Bundesstraße?! Ich fuhr ein Stück auf der B 480 als er sich wieder meldete und sagte, dass ich verkehrt sei. Also schnell zurück. Die B 480 hat hier eine Brücke, ich fuhr also unter die Brücke. Dort stand ein Jogger, der mich sparsam ansah, wahrscheinlich in dem Wissen, dass es unter der Brücke nicht weiter geht.
Na ja, das fand ich dann kurze Zeit später auch heraus. Also wieder den Berg hoch, um oben an der Brücke zu schauen. Und dann entdeckte ich den Trampelpfad, den der Garmin gemeint hat. Wie gesagt, dass Ding kennt sich aus, ist aber manchmal etwas sparsam in der Kommunikation.
Jetzt ging es weiter, entlang an Stausee Olsberg, welcher durch die Ruhr gespeist wird, hinter diversen schönen Häusern bis zum Wehr. Ich hielt ich an, schaute mich um und sah wieder den Olsberg vor mir. Ich war eben noch da oben.
Von Olsberg aus kannte ich ja den Weg schon. Ich bin ihn ja ein paar Stunden vorher erst gefahren. Ich stellte also meinen Sattel wieder hoch und machte mich auf den Heimweg. Meine Kette muss ich jetzt DRINGENDST wechseln, denn sie will auf dem obersten Ritzel fast gar nicht mehr.
Nach 2 Stunden und 43 Minuten drückte ich am Hotel die Stopptest des Garmin. Ich war fertig und glücklich… Pünktlich war ich außerdem auch noch und nach dem Duschen habe ich auch noch etwas Leckeres zu Essen bekommen.
Meine Tour bei Strava.