Von Burgen, Seen und Bergen

Die Vorzeichen waren eigentlich ungünstig. Am Abend von Samstag auf Sonntag feierten wir in einen Geburtstag rein und waren daher erst gegen 2 Uhr im Bett. Um 6 Uhr klingelte aber schon wieder der Wecker und ich zweifelte kurz, ob ich mir das jetzt wirklich antun möchte. Wenn ich einfach liegen bleiben würde, würde keiner was sagen können. Ich könnte eine kleine Runde fahren und so tun, als hätte ich das geplant. Aber hey? Wen will ich hier eigentlich verarschen? Meinen Lesern ist es im Grunde egal wohin ich fahre, wenn dabei ein guter Bericht entsteht. Aber ich will mir ja selber was beweisen. Also raus aus den Federn und rein ich die Klamotten.

Gegen kurz nach 7 war ich dann auf dem Rad unterwegs. Sonntags um 7 ist die Welt noch in Ordnung. Alles schläft, vereinzelt sind ein paar Leute mit ihren Hunden unterwegs und noch vereinzelter kommen einem schon ein paar Radfahrer entgegen. Idioten, genau wie ich… Aber diese Uhrzeit hat auch etwas Magisches. Wenn die Sonne aufgeht und die Welt in ihr ganz eigenes Licht hüllt. Wenn Industriestätten wie gemalt erscheinen und alles so ganz anders scheint, als es ist. Das hat schon etwas ganz besonderes.

Mein Weg führte mich zunächst über meine tägliche Strecke zur Arbeit. Denn ich musste von Recklinghausen zunächst nach Wattenscheid gelangen. Ich fuhr also, wie jeden Morgen auch, am Rhein-Herne Kanal entlang bis zur Grimberger Sichel. Dort wechselte ich auf die Erzbahntrasse und gab Gas. Aber immer schön dosiert, denn ich wusste ja nicht wie lange meine Kondition mitmacht. Nichts ist peinlicher, als die eigene Frau auf der Hälfte anrufen zu müssen und so betteln, man möge mich doch bitte einsammeln.

In Wattenscheid angekommen verließ ich die Erzbahntrasse und fuhr unter der A40 hindurch. Danach ging es weiter in Richtung Stadtgrenze Bochum / Essen. Dort warteten die ersten Höhenmeter auf mich. Die gingen mir aber recht gut von der Hand und ich erinnerte mich an damals, als ich an diesem Berg fast gescheitert wäre. So ändern sich die Zeiten. Es ging dann weiter in Richtung Bochum Dahlhausen, am Eisenbahnmuseum vorbei und weiter in Richtung Hörsterholz bis zum Ruhrkämpferehrenmal. Dort machte ich einen Moment Pause und rief meine Frau an.

Jetzt ging es weiter in Richtung Baldeneysee, immer in Sichtweite der Ruhr. Ziel war ein Aussichtspunkt, welchen man Korte-Klippe nennt und von dem man den ganzen See überblicken kann. Uns trennten rund 12 km und ein paar Höhenmeter unterscheid. Ich kämpfte mich also alles hinauf, was sich Berg schimpfte und fuhr dabei auch durch eine ganz „arme“ Gegend. Wer keinen Ferrari vor der Tür hatte, schien hier arm zu sein. Porsche, Audi, Lambo und Ferrari gaben sich hier die Klinke in die Hand. Na ja, wer‘s braucht. Dann war ich aber auch schon fast am Ziel.

Aber ich hatte die Rechnung ohne mein Garmin gemacht. Denn gelegentlich verstehen sich Mister Garmin und ich nicht so richtig. Wenn der das eine meint, glaube ich, dass er das andere meint und dann fahre ich schon mal in die falsche Richtung. Leider merkt Mister Garmin das oft erst relativ spät, so das er mich erst über eine Kursabweichung informiert, wenn ich ganz selbstsicher einen Berg hinabgeschossen bin. Dann heißt es wenden und wieder zurück zur Gabelung. Das kann mit unter sehr ermüdend sein und brachte uns ja damals auf die Idee mit den Guideless Guys.

Aber ich schweife ab. Ich hatte in der Vorbereitung gelesen, dass die Korte-Klippe ein guter Aussichtspunkt ist, welcher mit so einem komischen Stein markiert ist. Dort angekommen, kreiste ich jetzt wie ein Idiot in der Gegend herum, ohne diesen Stein zu finden. Erst beim schreiben dieser Zeilen stellte ich fest, dass ich genau diesen Aussichtspunkt aber gefunden hatte, als ich die letzten beiden, oberen Fotos gemacht habe.

Was soll ich sagen? Ich finde nicht, dass man hier den kompletten See gut erkennen kann. Aber vielleicht habe ich auch einfach keine Ahnung. Oder die Aussicht kann man nur im Herbst richtig genießen. Egal, ich wollte mich davon nicht aufhalten lassen und setzte meine Reise fort.

Mein nächstes Ziel war die Burgruine Neue Isenburg, wo ich mit Tobi und Chefchen mal gewesen bin. Ich folgte also wieder den Anweisungen von Mister Garmin und er wollte mich offenbar noch immer zur Korte-Klippe führen. Das wollte ich aber nicht mehr und so machte ich ein paar überflüssige Kilometer + Höhenmeter. Wenn man sich hinterher die gefahrene Strecke ansieht ist es deprimierend, wie nah ich dem Ziel war, ohne es zu wissen. Aber ok, jeder gefahrene Meter ist Training und Spaß hat es ja dennoch gemacht.

Der Weg dorthin ist eigentlich recht leicht zu finden. Die Ruine ist auch ausgeschildert, wenn man sich ihr von der Straße aus nähert. Von einem großen Parkplatz aus führt ein Fußweg zu einer kleinen Brücke. Beim letzten mal sind wir alle darauf reingefallen und erstmal um die Ruine herum geradelt. Das passierte mir auch dieses mal wieder. Sehr ärgerlich, denn ein ungeschriebenes Gesetzt sagt: Was du runter fährst, musst du auch wieder rauf! Also fuhr ich wieder hoch und erreichte endlich mal erstes richtiges Etappenziel.

Mittlerweile war es schon 10:15 und ich war schon 3 Stunden auf dem Sattel unterwegs. Zeit sich eine kleine Stärkung zu genehmigen. Ich hatte mir ein Toast mit einem leckeren, selbstgemachten, Aufstrich eingepackt und dazu noch ein paar Bananen. Die zünden bei mir besser, als jeder Energieriegel. Ich hatte jetzt auch schon 49 Kilometer auf dem Tacho und meiner Kondition ging es sehr gut. Das stimmte mich optimistisch für den Rest der Tour.

Dann blieb noch etwas Zeit um die Aussicht zu genießen. Von hier hat man einen viel schöneren Blick auf den Baldeneysee, also von der Korte-Klippe, finde ich. Man sieht zwar nicht den ganzen See, aber dieser Graf Dietrich von Altena-Isenberg hatte schon ein gutes Auge für seine Immobilien.

Jetzt, wo ich die Tour gefahren bin, bemerke ich ein kleines Detail, was ich zum Zeitpunkt meiner Tour noch nicht wusste. Auf dem oberen Foto sieht man links ein Windrad und rechts daneben zwei hohe Masten. Wenn ich gewusst hätte, dass ich dort noch am gleichen Tag vorbei radeln würde, ich wäre irgendwie deprimiert gewesen… Denn meine weitere Strecke führte mich in die andere Richtung weiter.

Jetzt hatte ich etwas Trail vorgesehen. Quer durch den Baldeneyer Wald führt ein Trail von oben bis nach unten zurück an die Ruhr. Und ich habe in der Vergangenheit ja gelernt, dass ich beim planen von solchen Touren, immer auf die Höhenmeter achten muss, um nicht einen Trail hoch zu müssen. Der enge und knifflige Trail war ziemlich zugewachsen. Jede Menge Brombeersträucher rammten mir ihre Stacheln in die Arme und Beine, Brennnesseln sorgten für schmerzhafte Momente und als Highlight blieb ich mit dem Helm an einem Ast hängen. Dabei verlor ich meine Kamerahalterung, die auf dem Helm montiert ist. Das merkte ich aber erst rund 60 Kilometer später. Da fährst du nicht wieder zurück…

Der Trail wurde wohl recht lange nicht gefahren. Ein paar Spuren, von anderen Bikern, waren schon noch zu finden, aber im Großen und Ganzen war das Ding echt zu. Kurze Zeit später wusste ich auch wieso. Ein Baum versperrte mir die Weiterfahrt. Es hieß klettern. Hier bekommt man echt was geboten, fürs Geld.

Ich saß eben wieder im Sattel und konnte ein paar Meter rollen lassen, schon lag der nächste Baum auf dem Weg.

Fun Fact: Jemand hatte eine Nachricht auf dem Stamm hinterlassen. Offensichtlich der, der hier eigentlich aufräumen sollte. Na ja. Ich hab‘s nicht versucht und hab mein Bike einfach drüber getragen. Aber lachen musste ich schon.

Kurz nach diesem Baum viel mir ein Absperrgitter auf, welches diesen Trail wohl von unten her blockieren sollte. Jetzt war mir auch klar, wieso hier so lange niemand gewesen zu sein schien.

Wieder an der Ruhr angekommen, ging es zu Villa Hügel. Hier hatte ich eigentlich vor, eine Runde durch den Hügelpark einzubauen. Was ich nicht wusste, der Zutritt scheint kostenpflichtig zu sein und so kehrte ich um und sparte mir ein paar Höhenmeter.

Jetzt hieß es Meter machen. Mein nächster Checkpoint sollte Essen Kupferdreh sein, wo ich vom Wasser in die Berge wechseln würde. Also machte ich mich auf, am See entlang zum Stauwehr zu gelangen und die Seite zu wechseln. Mittlerweile war es schon 10:42 und die Radstrecke am Baldeneysee füllte sich mit Menschen. Vielen Menschen. Rennradfahrern, Inline-Skatern und Joggern. Darunter mischten sich auch Fußgänger, aber wie waren deutlich in der Minderheit.

Auf der anderen Seite erwartete mich ein ähnliches Verkehrsaufkommen, wie auf der Autobahn A40. Nur mit weniger Stau. Aber mindestens genau so rücksichtslos. Jede Menge Biker die fahren wie die Sau. Kein Witz. Ich bin ja nicht zartbesaitet, aber wie manche Leute Rad fahren, ist echt unverantwortlich. Das sind sicher die Leute, die auch auf der Autobahn immer links unterwegs sind und ihren Blinker dabei im Dauereinsatz haben. Und das zieht sich quer durch alle Radtypen, Rücksichtlose Rennradfahrer, die nur an ihre Zeit denken, MTBs die auf der falschen Seite der Straße unterwegs sind und natürlich die Familien, die all diese Gefahren ausblenden und den lieben kleinen unbeaufsichtigte Freiheit geben, die sie unter Umständen die Gesundheit kosten könnte. So etwas habe ich echt noch nicht gesehen.

Versteh mich nicht falsch. Ich fahre auch gerne schnell. Aber man muss sich doch an die Situation anpassen und etwas Rücksicht auf andere nehmen. Wir fahren hier ja kein Radrennen um Punkte und Pokale. Wobei das bei uns Strava Nutzern so auch nicht richtig ist, ok sehe ich ein. Aber dennoch fand ich die Situation recht ätzend und war froh, als ich den Mainstream in Kupferdreh entkommen konnte.

Klar, hätte ich auch an der Ruhr bleiben können, denn mein nächstes Ziel war der Kemnader See in Bochum. Aber ich wollte ja nicht nur Strecke, sondern auch Höhenmeter machen. Also quälte ich mich die Kupferdreher-Straße hoch. Ein Bereich in den ich mächtig Herzfrequenz zu bieten hatte. Auf meine Trittfrequenz war in diesem Abschnitt extrem hoch. Und alle, die mir entgegen kamen, fuhren Rennrad. Klar, die MTBer sind wohl auch eher im Gebüsch unterwegs, als auf solchen Strecken. Aber die Strecke führte mich durch wunderschöne Serpentinen, welche farblich eine Mischung aus Sommer und Herbst zeigten. Wunderbar, wenn man die Luft zum genießen noch hat.

Fast oben angekommen, konnte ich mir einen kleinen Zwischenstopp nicht verkneifen. Ich wollte jedoch wirklich Fotos machen. Herrlich. Dann ging aber alles ganz schnell. Mittlerweile standen schon 68 Kilometer auf dem Tacho und endlich hatte die Bergauf Quälerei ein Ende. Belohnt wurde ich mit einer rasanten Abfahrt, auf dem Balkhauser Weg. Der Weg ist eine asphaltierte Straße und ist weit einsehbar. Ich habe es hier auf einen Topspeed von 59 Km/h gebracht. Der Weg endet an einer Straße an der man keine Vorfahrt hat. Ein guter Test für meine Bremsen, die danach auch irgendwie komisch rochen, so heiß sind sie geworfen.

Mein Weg führte mich nun wieder zurück an die Ruhr. Mittlerweile machten sich auch meine Handgelenke bemerkbar und auch der Hintern schmerzte ein wenig. Der Tacho zeigte etwas um die 72 Kilometer an, als ich den Leinpfad abschloss und den kleinen (nennen wir es) Wasserfall an der Ruhrbrücke zu Gesicht bekam. Da wusste ich wieder wo ich bin.

Weiter ging es an der Ruhr entlang, bis auf der rechten Seite die Burg Blankenstein zum Vorschein kam. Hier kannte ich mich wieder aus. Wir waren hier als Kinder schon ganz oft und auch mit den Jungs waren wir hier schon am Kalwes biken. Ich konnte also abschätzen, wo ich war. Leider wusste ich aber nicht genau, was mich erwarten würde, denn ich hatte die Heimfahrt anders geplant, als ich sie bisher gefahren bin.

Auch einen kleinen Umweg habe ich in Kauf genommen. Nur damit ich das Foto von Haus Kemnade machen kann. Die nächste Burg auf meiner Tour. Doch jetzt waren alle Burgen gefunden und es wurde Zeit, sich auf den Heimweg zu machen. Die Kondition war nach wie vor ok, aber mein Hintern wollte nicht mehr so recht. Ich erwischte mich häufig dabei, wir ich im stehen fuhr. Da muss ich dringend nachbessern, denke ich.

Das letzte Foto machte ich auf dem unteren Wehr am Kemnader See. Es zeigt den See. Danach habe ich keine Fotos mehr gemacht, denn ich wollte irgendwie nach Hause. Nicht panisch oder dringend oder sonst irgendwie gezwungen, ne, ich wollte jetzt die Tour zu Ende bringen und tat das auch. 83 km war ich jetzt gefahren und es war schon nach Mittag. Ich hatte zwei Bananen gegessen und war gespannt, was mich noch erwarten würde.

Plötzlich gab es Schilder, die das Schiffshebewerk Henrichenburg ankündigten. Noch 33 km von hier. Also los, denn das war mein letztes Ziel. Die Strecke ließ sich gut fahren, denn sie ist schön ausgebaut. Wenn man sich nur auf die Beschilderung verlässt, geht das auch recht gut. Mister Garmin sorgt dann an manchen Stellen für etwas Verwirrung, aber man kommt durch.

In Bochum bin ich dann noch auf einer Straße gefahren, die „Deutsches Reich“ heißt. Joa, so habe ich auch geschaut. Aber hier hängen Hinweisschilder, dass dieser Straßenname einer der ältesten Namen Deutschlands ist. Die Geschichte der Siedlung lässt sich wohl bis 1875 zurückverfolgen und der Name ist einzigartig in Deutschland. Wusste ich auch noch nicht. Man lernt nie aus.

Ursprünglich hatte ich geplant, noch bis zum Schiffshebewerk zu fahren und von dort dann nach Hause. Als ich aber das Schild „Herne – 2,7 km“ entdeckte und die 100 km Marke bereits gefallen war, entschied ich mich, es für heute gut sein zu lassen. Ich wäre sonst auf einen Wert um die 130 km gekommen. Aber das Gran Fondo Abzeichen bei Strava war mir auch so sicher und langsam hatte ich auch keine Lust mehr mit die Schmerzen am Hintern und den Handgelenken zu geben.

So bog ich dann gegen 15 Uhr wieder in meine Hofeinfahrt ein. Von Schmerzen geplagt, aber glücklich. Die Beine hätten noch gekonnt, aber der Hintern… Wie ätzend… 118,4 km sind es geworden, 6:10 saß ich im Sattel und 7:45 Stunden war ich unterwegs. 862 HM sind auch nicht zu vernachlässigen, aber da geht noch mehr.

Ein Fazit? Gern.

Meine Beine halten diese Distanz aus, kein Problem. Mein Sattel ist irgendwie noch nicht so, wie er sein sollte. Da muss ich dringend mal ran. Auch die Stellung der Hände muss ich überarbeiten, denn die Handgelenke taten mir doch sehr weh. Die Strecke war sehr schön zu fahren, auch wenn es in Essen auf dem Trail etwas doof war. Aber das kann man halt nie wissen. Ärgerlich, dass ich meine Kamerahalterung verloren habe. Vielleicht findet sie ja jemand von Euch und denke an mich. Ich werde wohl so schnell nicht wieder dort hin kommen.

Hier noch ein paar Links zu der Tour: