Mein Norco Range C 9.2 – Der Kanadier
Endlich erreichte mich die Email, auf die meine Arbeitskollegen und ich schon so lange gewartet hatten. „Wir machen jetzt JobRad!“ Lange hatten wir dafür gekämpft und nun reihte sich auch mein Arbeitgeber in die Reihe derer ein, die ihren Mitarbeitern ermöglichen wollen, ein gutes Bike über eine Leasinggesellschaft zu bekommen. Gut so! Doch als der langersehnte Startschuss verhallt war, wusste ich eigentlich noch nicht genau was ich denn überhaupt haben wollte. Ein paar Eckdaten hatte ich schon im Kopf. Ein Fully, Enduro, alpencrosstauglich… Joa, viel Spielraum für alles. 4 – 4500 € wollte ich ausgeben. Das gibt dann eine erträgliche monatliche Belastung, welche ich durchaus vertreten kann. Also machte ich mich an einem Donnerstagabend auf den Weg nach Oberhausen.
Bei WatzUp angekommen wurde ich auch sogleich bedient. Daniel nahm sich richtig viel Zeit und unser Verkaufsgespräch schwanke immer zwischen Mountainbike und persönlichen Dingen. So beschnupperten wir uns und Daniel machte sich ein detailliertes Bild von den Wünschen, an die ich bisher nicht gedacht hatte. Dann gingen wir die Bikes durch. Pivot? Ja, sehr geil! Sehr, sehr geil und nach dem Testtag damals auf Hoppenbruch auch sofort meine erste Wahl, wenn ich denn mal irgendwann reich bin. Specialized, neeee, Yeti, neeee, dies und das, neeee… Mal gefiel mir dies nicht, dann gefiel mir das nicht, aber Daniel hatte Geduld mit mir. Dann deutete er auf das Norco und fragte: „Was ist denn mit dem?“ Oh! Hallo Sexy! Ich nahm Platz.
Fuck! Der Himmel öffnete sich, Engelsgesänge ertönten, weißes, warmes Licht blendete mich, ich war angekommen! Das Ding passte wie Arsch auf Eimer. Sitzposition, Anordnung der Bremsen, der Schaltung, Geometrie… Alles perfekt für mich! Ich wollt nicht wieder absteigen und Daniel erzählte mir alles über die technischen Spezifikationen. Auch Sven von INSIDE-MTB war im Laden. Gemeinsam mit Benni war er mit seinem Bike beschäftigt und wann immer sie ins Ladenlokal kamen, bekam ich ein „schönes Bike!“, „geiles Bike!“ von beiden zu hören. Immer mit einem Zwinkern…
Und wie ich da so stand, von den Engeln geküsst, stellte ich die Frage aller Fragen: „Daniel, sind wir denn noch im Budget?“ Daniel verzog das Gesicht, zischte Luft durch die Zähne und sagte mit erhöhter Stimmlage: „nein!?“ Er zeigte mir das Preisschild. Abrupt schloss sich der Himmel, die Gesänge verstummten und es wurde wieder kalt um mich herum. Knapp 700 € drüber. Alter! Aber es fühlte sich doch so verdammt richtig an, es war doch so ein sexy Bike und ich saß doch schon drauf, also müsse es doch eigentlich meins sein, irgendwie…“
„Willst du denn mal eine Runde drehen?“ fragte Daniel. Natürlich wollte ich! Frei nach Dirty Dancing hatte ich schon lange den Slogan im Kopf: „mein Baby gehört zu mir!“ Also stellte er mir das Bike ein und ich machte mich auf eine erste kleine Probefahrt. Da war es dann sofort wieder, das gute / warme Gefühl aus dem Laden. Es passte einfach alles für mich. Ich fuhr die Straße entlang, die 1×12 SRAM Eagle fühlte sich ungewohnt an. Ich rollte den Berg hinunter, fuhr ihn gleich wieder hoch, drehte wieder um, fuhr ein Stückchen Gelände, rüber in den kleinen Park, mal hier, mal da, dann zum Parkplatz eines benachbarten Supermarktes. Dort hielt ich an und zückte das Handy.
Schnell öffnete ich den JobRad Kalkulator, trug meine Daten ein und was sah ich? Für rund 17 € mehr im Monat könnte das Bike mir gehören. Also hielt ich Rücksprache mit meiner Frau. Wenn Du verheiratet bist und Verantwortung hast, entscheidest Du solche Sachen nicht mal eben alleine. Ihr OK hatte ich sofort und so wurde mir klar: das Norco und ich, wir könnten bald gemeinsame Sache(n) machen. Der Himmel öffnete sich wieder, Engelsgesänge ertönten, weißes, warmes Licht… Du weißt schon…
Ich setzte meine Probefahrt fort und wusste, wir machen das. Jetzt war mein Lächeln noch viel breiter. Wieder im Laden angekommen, stellte ich das Bike wieder an seinen Platz zurück. Daniel war im Büro verschwunden und so hatte ich noch ein paar Minuten alleine mit dem Bike. Ich setzte mich auf den Boden vor das Bike und schaute mir jedes einzelne Detail an. Ja, in den Alpen würden wir es sicher nicht immer leicht haben. 14,44 kg Gesamtgewicht und besagte Eagle 1×12 Schaltung sind da nicht immer die optimale Wahl, aber hey: Training ist wohl alles, oder?
Daniel kehrte zurück und ich teilte ihm meine Entscheidung mit. Freude! Dann ging es an die Details. Mit der Originalbremse wollte man mich nicht gehen lassen. Das Bike brauchte noch den berühmten “WatzUp-Glitzer” und so versprach Daniel mir eine Hope V4 Bremse auf dem Bike zu montieren. Gute Entscheidung, denn aufgrund meines Gewichtes kann ich eine gute Bremse vertragen, die auch bei längeren Abfahrten nicht gleich anfängt zu schwächeln. Wie ich die Farben haben möchte? Öhm, schwarz?! Ich will ja nicht auffallen. Die Decals des Norco sind von der einen Seite schwarz und von der anderen Seite grün. Daniel empfahl mir noch ein paar Lila Akzente zu setzten. Doch ich lehnte ab. Ich verfüge nicht über die notwendigen Skills um mit einem auffälligen Bike durch die Gegend zu schießen. Alles zu seiner Zeit. Spannenderweise meinten später alle meine Jungs unabhängig von einander, dass hier dringend etwas Lila zu verbauen sei. Alles zu seiner Zeit, Freunde.
Wir hatten alles notwendige besprochen und Daniel hatte mir das benötigte Angebot direkt ausgedruckt und mitgegeben. Alles was ich jetzt noch machen musste war eine Nacht darüber zu schlafen und das Angebot am nächsten Tag meinem Arbeitgeber zur Prüfung und zur Freigabe für JobRad vorzulegen. Auf dem Heimweg öffnete ich das Dach unseres Autos, machte die Musik laut und freute mich über das gefundene Bike, die gute Beratung und auf die Dinge, die da kommen werden… Ein toller Tag, ein toller Laden, ein tolles Bike.
Ein tolles Bike, ja in der Tat. Komm wir schauen uns mal die technischen Spezifikationen an:
Das Frameset:
Rahmen: Range 29er Carbon 150 mm Travel
Gabel: Rockshox Lyric RC SA 29 mit 160mm Federweg und 15mm boost
Dämpfer: Rockshox Super Deluxe RC3 Trunion mount mit 150 mm Federweg auf der Hinterachse
Die Komponenten:
Sattelstütze: Race Face Turbine Dropper
Sattelklemme: Norco design alloy nutted clamp
Sattel: SDG Duster RL w/Norco Design
Steuersatz: FSA #57E 1.5″ to 1-1/8″ sealed bearing
Vorbau: Race Face Aeffect R 40mm
Lenker: Race Face Atlas 800mm, 20mm
Griffe: Race Face Love Handle lock on grip
Vorderbremse: Hope V4 mit 203mm Bremsscheibe
Kettenführung: One Up ISCG 05 guide
Hinterbremse: Hope V4 mit 180mm Bremsscheibe
Bremshebel: Hope Tech 3
Die Laufräder:
Vordernabe: Sram MTH 716 boost, Rockshox Maxle Stealth 15mm axle
Hinternabe: Sram MTH 746 Boost w XD driver, Syntace X-12 system axle
Speichen/Nippel: Sapim butted black stainless steel spokes
Felgen: RACE FACE AR 30 Rim, tubeless ready
Reifen: Maxxis Minion DHF 2.5×29 WT DHRII 2.4 WT, 3C Maxx Terra Drivetrain
Die Schaltung:
Schalthebel hinten: Sram Eagle XO 1
Schaltwerk: EAGLE X01
Kassette: Sram Eagle X01 10-50T
Kurbel: Sram Eagle FC X1 1400 12 sp Crank w/32T
Tretlager: Sram Pressfit BB92
Kette: Sram CN X01 Eagle 12 speed
Kurz gesagt, eine Wucht. Ich hätte mir ja nicht träumen lassen, mal auf so einem Bike zu sitzen. Geschweige denn es mal mein eigenen nennen zu können. Wenn gleich es ja noch nicht wirklich mir gehört. Ich muss ja die nächsten 3 Jahre eine Leasingrate bezahlen und habe danach die Möglichkeit es aus dem Vertrag herauszukaufen. Erst dann gehört es mir. Das Konzept ist sehr gut und ermöglicht es einem hochwertige Räder zum guten Preis zu kaufen. Leider ändern sich die Konditionen jetzt bald, denn die Finanzämter haben Wind von der Sache bekommen, aber ich habe noch einen Vertrag mit den alten Konditionen und von daher betrifft es mich in diesem Fall noch nicht. Wenn du mehr über JobRad wissen möchtest, dann schau mal auf JobRad.org.
Weiter im Text. Donnerstags war ich bei WatzUp, freitags wurde mein Antrag vom Arbeitgeber bearbeitet und freigegeben. Jetzt war JobRad am Zug. Die Freigabe und den Abholcode erhielt ich erst nach dem Wochenende, also montags. Von meiner Seite aus konnte es also losgehen. Leider hat WatzUp aber montags geschlossen. Ich musste also auf Dienstag warten. Ich hasse warten. Kennst Du das Gefühl, wenn Du Dein neues Lieblingsspielzeug im Schaufenster sehen kannst und nur die Öffnungszeiten des Fachgeschäfts Dich von ihm trennen? Ätzend. Ääääätzend! In mir wurde ein verliebter Teenager reaktiviert. „Wann rufen sie an?“ „Ich rufe nicht an, die melden sich schon am Dienstag. Da bin ich sicher!“.
Es wurde Dienstag. 13:02. Kein Anruf von WatzUp. Herr Gott! Ich war ungeduldig und rappelig. „ICH rufe da nicht an, die werden sich melden. Ich will ja niemanden nerven!“ Meine Bürokollegen verdrehten die Augen. „Schon 13:05 und noch immer kein Anruf!“ – „Alter, die haben vor 5 Minuten geöffnet, meinst Du nicht die haben erstmal andere Sachen zu tun, als Dich anzurufen?“ Vermutlich hatte Alex Recht. Es ist hart, wenn jemand einen so auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Aber am Dienstag erfolgte kein Anruf mehr. Wenn die Freigabe von JobRad kommt, wollten die Jungs das Bike nochmal durchchecken und natürlich die Bremse umbauen. Das braucht natürlich auch Zeit. Sie melden sich, wenn das Bike fertig ist, so die Absprache. Aber Zeit ist etwas, was sich mit Emotionen nur schwer vereinbaren lässt!
Mein Handy hatte ich von nun an immer im Auge. Ständig checkte ich, ob ich nicht DEN Anruf verpasst hatte. Alle um mich herum versuchten mich zu meiden, denn ich war wirklich anstrengend. Und was werde ich sagen, wenn das Telefon klingelt? Natürlich bin ich dann ganz cool: „Ja? Ich kann das Bike abholen? Schon? Na gut, dann schaue ich mal wann ich kann…“
Mittwoch habe ich es dann nicht weiter ausgehalten und den Hörer in die Hand genommen. Ich bin ja so konsequent und diszipliniert. Ich hatte Daniel am Telefon: „Hast Du Die JobRad Freigabe per Mail bekommen? Kann ich das Rad abholen kommen? Seid ihr fertig?“ – „Was für ne Mail? Ich hab noch keine Mail gesehen!“ WAAAAAAAAAS! Mein Herz war gebrochen! Doch noch bevor ich einen Nervenzusammenbruch erlitt ergänzte er: „Ne Spaß! Alles gut!“ Gottverdammt, wie kann er mich nur so erschrecken?! Ich war schließlich in einer hochemotionalen Situation! Es ging um Gefühle! Es ging ja schließlich um ein neues Fahrrad! Daniel lachte und bekräftigte nochmal, alles ok, alle Unterlagen da, nur die Bremse fehlt noch. Die ist auf dem Weg von England nach Oberhausen und braucht noch ca. 5 Werktage. Mein Herz! 5 Werktage? Es ist Mittwoch, 5 Werktage sind mindestens nächste Woche Mittwoch, plus Einbau, dann hatte ich noch Termine bis Samstag, Sonntag hat der Laden geschlossen, Montag geschlossen! Rational wie ich bin stand für mich fest: ICH WÜRDE MEIN BIKE NIE MEHR BEKOMMEN!
Na ja, ich habe mich dann auch später wieder gefangen und das Unausweichliche akzeptiert. Ich müsse wohl warten. In der Zwischenzeit machte ich mir so meine Gedanken, was ich noch alles an das Bike schrauben wollte. Pedale brauchte ich ja auch noch. Ich erinnerte mich zurück, wie ich damals über meinen Kollegen lachte, der an seinem 4000 € Rotwild Enduro keine vernünftigen Pedale dabei hatte. Und heute? Ja, das Bike kostet ein Vermögen und ja, es ist selbstverständlich, dass hier noch keine Pedale dabei sind. Verrückt, wie sich die Zeiten ändern. Ich stöberte also im Netz und landete unweigerlich bei den Hope F20 Flat Pedalen. Super Grip, tolle Optik, Preis? Egal. Dazu hätte ich gerne noch einen Tachohalter für den Vorbau. Meine Wahl fiel auf die K-EDGE Vorbauhalterung für den Garmin Tacho.
WatzUp besorgte die Pedale und die Halterung, so dass ich ein fertig montiertes Bike in Empfang nehmen könnte, wenn es denn soweit ist. Dann endlich klingelte das Telefon. Etwas eher als erwartet. Benjamin war dran und sagte, dass mein Bike fertig war. Ich könne es abholen kommen, wenn ich wollte. Mein Herz tanzte! Doch leider musste ich arbeiten und abends stand ein Termin auf der Liste. Ich textete meinen Arbeitskollegen an und bekam eine eindeutige Antwort: „FAHRT DIE KISTE HOLEN!“ Ob er nur versehentlich alles großgeschrieben hat ist nicht überliefert. Ich muss wohl sehr anstrengend gewesen sein, habe ich gehört.
Am 5 Juli nahm ich es also in Empfang. Mein nagelneues Enduro MTB. Später taufte ich es auf den Namen: „der Kanadier“. Seither ist das Biken nicht mehr so wie es vorher war.
Weiterführende Links:
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