Erste Feierabendrunde nach langer Pause

Was war eigentlich passiert? Ich machen es kurz: Mein Arzt hatte bei mir geschwollene Lymphknoten entdeckt und nun musste eine Krebserkrankung ausgeschlossen werden. Dazu schickte er mich in ein Krankenhaus, wo ich auf einer onkologischen Station untergebracht wurde. Hier wurde ich auf den Kopf gestellt und mir wurde dann auch letztendlich ein Lymphknoten entfernt. Die spätere Untersuchung des entnommenen Knotens brachte die Entwarnung und so durfte ich das Krankenhaus nach 8 Tagen wieder verlassen. Unterm Strich standen hinterher 13 Tage Ungewissheit und Sorgen. Existentielle Sorgen, Sorgen und Gedanken um mein Leben. Das wünsche ich niemandem.

Was bleibt also übrig? Es stehen noch ein paar Arztbesuche an, ich habe ein genähtes Loch in der Schulter und in meinem Kopf ist Chaos pur. Außerdem befindet sich noch Gewebe in meinem Hals, welches untersucht werden soll. Es wurde also höchste Zeit, um dem ärztlichen Rat Folge zu leisten und bei herrlichem Wetter eine kleine Feierabendrunde zu wagen.

Wie schon gesagt, es wurde Zeit. Ich hatte mittlerweile 5, ja fast 6 Wochen nicht mehr auf dem Rad gesessen und das machte sich schon deutlich bemerkbar. Gefühlt hatte ich keine nennenswerten Muskeln mehr in den Beinen, eine schlechte Nackenmuskulatur, allergiebedingte Luftnot und die Kilos, die ich mir in 5 Wochen runtergehungert hatte, waren auch wieder zurück. Optimale Ausgangslage für eine 20 km Tour also.

Aber es nützt ja alles nix. Neustarts dieser Art hatte ich in der Vergangenheit ja schon mehrere und der Körper belohnte mich eigentlich immer recht zügig für meine Mühen. Ich packte also mein EVOC Hip Bag mit dem nötigsten zusammen und machte mich auf den Weg. Es sollte meine klassische Feierabendrunde werden. Also an der Emscher entlang in Richtung Schiffshebewerk. Doch schon nach den ersten Kilometern packte mich der Pollenterror. Ich habe diverse Allergien zu bieten und Birke gehört zu meinen Top-Angeboten. Die Birke stand auch im Moment voll in der Blüte und das merkte ich bei jedem Atemzug. Ich musste also mein Spray benutzen um noch Luft zu bekommen. Nachdem es dann endlich wirkte, ging es auch schon weiter.

Ein paar Tage zuvor bin ich schon eine kurze Distanz mit dem Rad gefahren. Damals wollte ich nur kurz zu einer lokalen Tankstelle um die Ecke, um das Bike kurz mal von seinem Dreck zu befreien. Hin und zurück sind knapp 3 km und nachdem ich wieder zu Hause war, war ich schon fertig mit schönschreiben. Heute standen aber schon 5 km auf dem Tacho und es lief gut. Die Motivation stieg.

Mein Weg führte mich, wie anfangs schon erwähnt, über einen Radweg der Insel-Tour immer an der Emscher entlang. Aktuell wird hier wieder recht groß gebaut, da die Emscher Stück für Stück renaturisiert werden soll. Es ist daher mit Behinderungen auf Höhe Recklinghausen König-Ludwig zu rechnen. Aber dafür war die alte Baustelle am Kanalkreuz fast fertig. Höhenmeter sind auf dieser Feierabendrunde kaum zu erwarten. Ziel ist aber immer das Schiffshebewerk Henrichenburg.

Auf dem Weg dorthin passiert der geneigte Tourer diverse Kunstinstallationen. Sie sind Teil der Emscherkunst, welche wiederum ein Teil der sogenannten Insel-Tour ist. Die Tour führt, grob gesagt, von Oberhausen bis Castrop-Rauxel und hat allerhand interessante Installationen zu bieten. Eine Übersicht findest Du auf der Homepage. Mein Aufmacherfoto zeigt übrigens den „Walkway and Tower“ von Tadashi Kawamata aus dem Jahre 2010. Da sag mal einer, das Ruhrgebiet kann keine Kunst! Hier hat sogar die „Köttelbecke“ mehr Kunstinstallationen von internationalem Format zu bieten, also so manche Landeshauptstadt.

Ruhig ging ich die Sache an. Keine Eile, ankommen und fahren war das Ziel. Keine Rekorde brechen. Dann überholte mich ein e-Bike. Autsch, das konnte ich ja eigentlich nicht auf mir sitzen lassen. Doch ich blieb ruhig und entspannt. Ich machte hier heute mein Ding und alles andere interessierte mich nicht.

Zu meiner Freude stellte ich später fest, dass eine weitere verhasste Baustelle nun Geschichte ist. In Castrop, an der Wartburgstraße, an der man den Rhein-Herne-Kanal kreuzt, da wurde der Radweg viele Jahre gesperrt und erneuert. Als Umleitung musste man immer durch ein angrenzendes Wohngebiet fahren. Nun ja, dieser Radweg ist nun auch wieder freigegeben. Es wird, es wird.

Und dann, nach rund 42 Minuten, hatte ich mein Tagesziel erreicht. Das Schiffshebewerk.

Viel Zeit zum Verschnaufen hatte ich allerdings nicht mehr übrig, denn mein jüngster Sohn würde bald aus der Schule kommen und erwartet sicher Mittagessen zu Hause. Wenn Papa schon zu Hause ist, wird er auch mit in den Haushalt integriert. Also genoss ich nur kurz die Ruhe, schloss die Augen und saugte einen tiefen Schluck Erholung durch den offenen Mund ein, hielt kurz inne und pustete die Sorgen und Ängste wieder raus. Ich öffnete die Augen, setzte mich auf den Sattel und fuhr die rund 12 km wieder zurück.

Ich habe die Tour dann, zu meiner Überraschung und Begeisterung, erfreulicherweise schmerzfrei überstanden. Die Wunde in der Schulter machte mir keine Probleme, die Pollenallergie hingegen schon. Insgesamt habe ich 1 Stunde 27 gebraucht.

Was mich hinterher jedoch echt schockiert hat war meine Herzfrequenz. Normalerweise liegt mein Durchschnittswert, bei normaler Belastung, immer zwischen 115 und 125 Schlägen die Minute. Hier hatte ich hinterher 157 Schläge die Minute auf dem Tacho. Irritiert checkte ich, ob meine Pulsuhr vielleicht defekt sei, aber sie ging richtig. Nachdem ich das Thema recherchierte stellte sich heraus, dass mein Spray, welches ich gegen die Luftprobleme nehme, mein Herzschlag in die Höhe treibt.

Da muss ich beim nächsten Mal unbedingt wieder drauf achten, damit es hier keine bösen Überraschungen gibt und ich nicht mal irgendwann einfach vom Rad falle.

Ich habe die Tour hinterher „Balsam für die Seele“ genannt, denn genau das war sie für mich. Die Sonne im Gesicht, die Pollen in der Nase und den Wind im Haar… Na ja, so halb wenigstens… Das hatte mir sehr lange gefehlt.

Weiterführende Links:

Tour bei Strava